Mittwoch, 27. Juni 2012

Jeder Dritte gilt in den Augen des deutschen Betreuungssystems als psychisch krank. Ist eine Nation stark, ist ein System stark, wenn Ritalin bereits im Kleinkindalter zu den Grundnahrungsmitteln zählt?

200.000 werden jährlich zwangseingewiesen. Ein Erfolgscoaching ist das nicht. Danach wieder zurück in den Beruf zu finden ist schwer, nicht zuletzt weil sich die Sehgewohnheiten der Umgebung verändert haben. Man wird danach schneller als streitsüchtig und wahrnehmungsgestört eingestuft. Das ist der Preis dafür, dass die Gesundheitswirtschaft nicht dem Marktgesetz unterliegt. Man kann danach nur noch auf eine gute Berufsunfähigkeitsversicherung hoffen, um nicht ins Bodenlose zu fallen. Mir wurde sogar ein Bußgeld nahegelegt, falls ich wieder ärztlich tätig werde. Die Therapeuten gingen sogar so weit, dass sie mir drohten, die Rente würde verlorengehen, falls ich mich um meine berufliche Rehabilitation bemühe. Inzwischen arbeite ich wieder, allerdings immer noch nicht als Arzt. Sogar während des beruflichen Trainings durfte ich mir sagen lassen, dass der Zug dafür, wieder als Arzt arbeiten zu können, ab sei. Stattdessen droht mir lebensbegleitend medikamentöse Einengung. Dahinter steht eine gewaltige Industrie, die auch von meinen eigenen Krankenversicherungsbeiträgen lebt, ohne dass ich mich dagegen wehren kann. Sobald ich auszubrechen versuche, droht mir die Zwangstherapie oder sogar Zwangsbetreuung. Jeder, der grad sein Mütchen kühlen mag, kann mich als therapiepflichtig psychisch krank denunzieren, sobald ich aus dem Betreuungsnetz ausschere. Und dieses Betreuungsnetz ist zeitweilig böswillig aggressiv, spätestens wenn es um Behandlungsfehler geht. Das alles und der Umstand dass meine Berufsunfähigkeitsrente entzogen wird, sobald ich medizinjournalistisch und nicht im Lifestyle-Journalismus arbeite, ist nicht geeignet, als Journalist kreativ zu werden oder entspannt Verantwortung zu übernehmen. Ich habe die Arschkarte gezogen und muss für jeden Tag dankbar sein, den meine Versicherung zahlt. Das deutsche Sozialrecht ist schwer zu verstehen. Psychiatrisch wirr genug, meine Argumentation?

Wann mein Handicap begann? Mit meiner ersten Schwangerschaft. Ich war zwar mit 25 Jahren schon damals eine späte Erstgebärende, aber verglichen mit anderen unter stärkerem Zeitdruck, trotz fehlendem Teilzeitarbeitsmodell im Uniklinikbetrieb. Ich hatte Endometriose, eine Zeitbombe, die nach einer kindskopfgroßen Schokoladenzyste mit 19 Jahren jederzeit in Sterilität münden konnte. Meine Angst vor Arbeitslosigkeit und nachfolgender Verarmung durch Schwangerschaft und Kinder war geringer als die vor Kinderlosigkeit. Aber Kinder zu kriegen war zum damaligen Zeitpunkt nicht gesellschaftskonform, zumal gerade Facharztweiterbildung und die 89er Wende anstand. Man bekam keine Kinder. Der Preis dafür heute? Das gesamtdeutsche Rentenmodell, für das jeder Einzelne Verantwortung trägt, der damals keine Kinder bekam, funktioniert heute nicht mehr. Jeder, der noch etwas von dem Topf abkriegt, muss dankbar sein. Dass das in millionenfache Angststörungen münden muss, die mittlerweile jeden Dritten betreffen, ist ein hausgemachtes Problem. Kinder zu bekommen, wird zunehmend unverantwortlich. Ihre Ausbeutung durch einen überalterten Staat ist vorprogrammiert. Wer da keine Angst bekommt, muss schon ein gesegnetes Alter erreicht haben.

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